Biden-Regierung setzt Auslieferungsverfahren gegen Julian Assange fort

Die Biden-Regierung wird weiterhin die Auslieferung von WikiLeaks-Gründer Julian Assange aus dem Vereinigten Königreich in die USA betreiben. Das erklärte das amerikanische Justizministerium am Dienstag.

Die Erklärung der Biden-Regierung ist zum Teil eine Reaktion auf die Entscheidung der Londoner Bezirksrichterin Vanessa Baraitser vom 4. Januar, Assange nur aufgrund psychischer Probleme nicht auszuliefern. Den politischen Standpunkten der US-Staatsanwaltschaft stimmte die Richterin vollständig zu. Wie diese sprach sie dem WikiLeaks-Herausgeber sowohl das Recht auf freie Meinungsäußerung als auch das Recht auf Pressefreiheit ab. Biden ist offenbar daran gelegen, noch vor Ablauf der Frist am Freitag klarzustellen, dass die Regierung jedenfalls in Berufung geht.

Joseph Biden (links) (AP, Marcio Jose Sanchez), und Julian Assange (AP, Matt Dunham)

In einer Erklärung des stellvertretenden Justizministers und leitenden Kommunikationsberaters Marc Raimondi heißt es: „Obwohl wir letztendlich von der Entscheidung des Gerichts sehr enttäuscht waren, freut es uns, dass die Vereinigten Staaten in allen umstrittenen Rechtsfragen obsiegt haben. Insbesondere hat das Gericht alle Argumente von Assange bezüglich der politischen Motive, eines fairen Verfahrens und der Meinungsfreiheit zurückgewiesen. Wir werden weiterhin die Auslieferung von Assange an die Vereinigten Staaten anstreben.“

Die Erklärung ist ein Schlag ins Gesicht für jene Bürgerrechts- und Menschenrechtsgruppen, die ihre Hoffnungen auf die Biden-Regierung gesetzt und von ihr erwartet hatten, sie werde Trumps Auslieferungsgesuch fallen lassen.

Eine Koalition aus vierundzwanzig Organisationen, darunter die American Civil Liberties Union, Amnesty International, Electronic Frontier Foundation, die Freedom of the Press Foundation und Human Rights Watch, schrieben am 8. Februar in einem Brief an Bidens Generalstaatsanwalt Monty Wilkinson: „Wir bitten Sie dringend, die Berufung gegen die Entscheidung von Richterin Vanessa Baraitser vom Westminster Magistrates' Court, die den Auslieferungsantrag der Trump-Administration abgelehnt hatte, fallen zu lassen. Wir bitten Sie auch dringend, die zugrundeliegende Anklage zurückzuweisen.“

In dem gemeinsamen Brief heißt es weiter: „Die Anklage gegen Assange bedroht die Pressefreiheit, denn ein Großteil des in der Anklage beschriebenen Verhaltens entspricht der Art und Weise, wie Journalisten sich üblicherweise verhalten – und wie sie sich verhalten müssen, um das zu tun, was die Öffentlichkeit von ihnen erwartet … Unserer Ansicht nach würde ein solcher Präzedenzfall effektiv die übliche journalistische Arbeit kriminalisieren.“

Diese Organisationen stellten auch einen Zusammenhang zwischen der Verfolgung von Assange und der historischen Entwicklung von demokratiefeindlichen Maßnahmen in den USA und weltweit her: „Es ist leider so, dass die Pressefreiheit weltweit bedroht ist. Jetzt ist es wichtiger denn je, dass wir in den Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt eine robuste und streitbare Presse schützen. So wie Richter Murray Gurfein im Fall der Pentagon Papers denkwürdig von einer ‚störrischen Presse, einer hartnäckigen Presse, einer allgegenwärtigen Presse‘ gesprochen hatte.“

In einer separaten Erklärung sagte der Exekutivdirektor von Human Rights Watch, Kenneth Roth: „Die meisten Anklagen gegen Assange betreffen Tätigkeiten, die sich nicht von denen unterscheiden, die investigative Journalisten auf der ganzen Welt jeden Tag ausüben. Präsident Biden sollte es vermeiden, einen schrecklichen Präzedenzfall zu schaffen, indem er wichtige Werkzeuge des unabhängigen Journalismus kriminalisiert, die für eine gesunde Demokratie unerlässlich sind.“

Die offizielle Ankündigung des Justizministeriums am Dienstag hat allen Illusionen ein Ende gesetzt, dass die Biden-Regierung bezüglich der im Ersten Verfassungszusatz garantierten Grundrechte eine andere Position als Trump einnehmen könnte. Biden beabsichtigt, Julian Assange weiterhin auf der Grundlage der 17 Anklagepunkte aus dem Espionage Act von 1917 anzuklagen, die eine maximale Gefängnisstrafe von bis zu 170 Jahren nach sich ziehen können.

Obwohl eine US Grand Jury schon im März 2018 eine geheime Anklageschrift gegen Assange verfasst hatte, wurden die Anschuldigungen gegen ihn erst mehr als ein Jahr später, im April 2019, öffentlich erhoben, als der WikiLeaks-Journalist aus der ecuadorianischen Botschaft ausgewiesen und in London verhaftet worden war. Julian Assange wurde sofort wegen einer fingierten Anklage wegen Kautionsflucht inhaftiert. Er wurde in das berüchtigte Londoner Gefängnis Belmarsh eingeliefert, wo er bis heute festgehalten und nicht einmal auf Kaution freigelassen wird, bis eine endgültige Entscheidung über seine Auslieferung an die USA getroffen ist.

Die World Socialist Web Site und andere, denen eine freie Presse am Herzen liegt, halten daran fest, dass hat Assange keine Verbrechen begangen hat. Er geriet ins Visier der Regierungen der USA und Großbritanniens, weil WikiLeaks Details über die imperialistischen Kriegsverbrechen während der illegalen Kriege in Afghanistan und im Irak veröffentlicht hatte. WikiLeaks enthüllte auch zahlreiche Verbrechen der Großkonzerne, sowie die Verschwörung der Demokratischen Führung während der Nominierung zu den US-Präsidentschaftswahlen 2016.

Die Entscheidung der Biden-Administration, Assange weiterhin zu verfolgen, ist keine Überraschung für all diejenigen, die sich auf eine Klassenanalyse und ein Verständnis der Logik politischer Entwicklungen stützen.

Es ist bezeichnend, dass Trumps oberster Beamter für nationale Sicherheit im Justizministerium, John C. Demers, weiter in der Abteilung für nationale Sicherheit tätig ist. Demers wurde vom Biden-Übergangsteam gebeten, aus Gründen der Kontinuität zu bleiben, während viele andere politische Beauftragte von Trump zurückgetreten sind.

In der Zwischenzeit ist John Carlin, Demers' Vorgänger von 2013 bis 2016, ins Justizministerium zurückgekehrt. Er fungiert derzeit als stellvertretender Generalstaatsanwalt. Dass es zwischen der Trump- und der Biden-Administration bei wichtigen Themen der nationalen Sicherheit eigentlich keine grundlegenden Unterschiede gibt, zeigt die Tatsache, dass Carlins Vorgängerin, Lisa O. Monaco, die von 2011 bis 2013 die Abteilung für nationale Sicherheit leitete, jetzt Bidens (noch unbestätigte) Kandidatin für das Amt des stellvertretenden Generalstaatsanwalts ist.

Die New York Times versucht zynisch, Illusionen zu nähren, als ob der Demokrat Biden die Auslieferung Assanges möglicherweise noch stoppen werde. Sie ist sich natürlich völlig bewusst darüber, dass eine solche Änderung der Regierungspolitik nicht in Frage kommt. Am Montag schrieb dieTimes: „Die Frist am Freitag im Londoner Auslieferungsfall könnte die Biden-Administration dazu zwingen, zu entscheiden, ob sie die Politik aus der Trump-Ära fortsetzen will“; allerdings bleibe es „fürs Erste die Pflicht [des Justizministeriums], Berufung gegen die Ablehnung seines Antrags auf Assanges Auslieferung einzulegen, wie Marc Raimondi, Sprecher der Abteilung für nationale Sicherheit, erklärte“.

Wer weiter zurückblicken möchte, wird sehen, was Biden vor mehr als zehn Jahren über Assange sagte. Als WikiLeaks die diplomatischen Kabel veröffentlicht hatte, war Biden Vizepräsident der Obama-Regierung. Am 19. Dezember 2010 wurde Biden in der NBC-Nachrichtensendung „Meet the Press“ nach den WikiLeaks-Enthüllungen gefragt. Damals nannte Biden Assange einen „High-Tech-Terroristen“ und behauptete: „Dieser Kerl hat Dinge getan und gesagt, die das Leben und die Arbeit von Menschen in anderen Teilen der Welt beschädigt und in Gefahr gebracht haben.“

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